ALEXANDER SKIPIS / HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS
Meinungsfreiheit und Demokratie gehören untrennbar zusammen. Die Meinungsfreiheit ist die Grundbedingung dafür, dass es in einer Gesellschaft zu einem öffentlichen Meinungsbildungsprozess kommen kann, in dem alle Bürgerinnen und Bürger gemeinsam darüber reden und diskutieren können, wie sich ihr Land entwickeln soll. Zentral ist dabei die Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, das Handeln ihrer Regierung zu beleuchten und zu kritisieren. Und wenn dabei wie in der UdSSR zu Zeiten von Glasnost die bevölkerungsfeindlichen Machenschaften eines Unrechtsstaates ans Licht kommen, so wird es für diesen enorm schwer, sich an der Macht zu halten.
Eine Bürgerschaft , die nach Meinungsfreiheit ruft , will wissen was in ihrem Land vor sich geht und an der Diskussion über Lösungen gesellschaft licher Problemlagen teilhaben. Sie will ihrer Regierung nicht blind vertrauen müssen, sondern durch freie Informationen sicherstellen, dass sie ihren Auft rag im Wohle des Volkes erfüllt. Sie will durch öff entliche Debatten und Diskussionsbeiträge Einfl uss auf die Politik ihres Landes nehmen. Dieses Verlangen kann logischerweise auch zur Forderung nach freien Wahlen und politischer Veränderung führen. Deswegen überrascht es nicht, dass autoritäre Regime wie die kommunistischen Kader Chinas, die Machthaber in Belarus, in Ägypten, der Türkei oder in Ungarn so sehr darum bemüht sind, den freien Meinungsaustausch zu unterbinden.
Die Meinungsfreiheit ist dafür da, dass wir als Bürgergesellschaft in eine Diskussion über die wichtigen Th emen unseres Zusammenlebens kommen können. In diesem Sinne verlangt die Meinungsfreiheit mehr als ein einfaches Statement, mit dem man selbstzufrieden die eigene Position betont und sich danach für nichts weiter interessiert. Eine Meinungsäußerung sollte immer auch als Basis oder Fortführung eines Gesprächs gedacht werden, bei dem man
gemeinsam mit Anderen Th emen erörtert und zu Lösungsansätzen kommt. Dabei sollte man off en für die Argumente des Gegenübers sein, der eventuell mehr über ein Th ema wissen könnte als man selbst. Die eigene Meinung ist in diesem Prozess nur ein Teilstück.
Doch leider sind viele Menschen in ihren Ansichten so verhärtet, dass sie gar keine alternativen Meinungen oder gar Widersprüche aushalten können. Die Reaktion in solchen Fällen ist leider häufig nicht Neugier oder Interesse, an dem was die oder der Andere zu sagen hat – die andere Person könnte etwas wissen, das ich nicht weiß – sondern Diskriminierung und Hass. Neben Autoren, Verlegern, Buchhändlern, Künstlern und Wissenschaft lern sind es vor
allem Journalisten, die immer wieder diese Erfahrung machen müssen. Und wenn sie gegenüber autokratischen Herrschern für diese unliebsame Wahrheiten aussprechen, leben sie besonders gefährlich. Die Aussage einer Regierung, Journalisten seien Terroristen oder Staatsfeinde, steht im Widerspruch zu den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft . Demokratische Staaten müssen sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung äußern können, ohne Angst um ihre Freiheit oder ihr Leben zu haben.
Alexander Skipis (*1954) ist seit 2005 Hauptgeschäft sführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Von 2002 bis 2005 war er Ministerialdirigent und Abteilungsleiter in der Hessischen Staatskanzlei. Zuvor verantwortete er u.a. die Unternehmenskommunikation und das Marketing bei der Messe Frankfurt und war geschäft sführender Gesellschaft er bei der Leipziger & Partner Kommunikations GmbH. Er setzt sich durch zahlreiche Initiativen für Meinungsfreiheit und Debattenkultur ein, z.B. beim Börsenverein 2016 mit der Aktion #FreeWordsTurkey oder einer Mahnwache vor dem Gefängnis in Istanbul, in dem die türkische Autorin Asli Erdogan inhaft iert war